Am 19. April 2025 fand in Spanien ein besonderes Kurz-Interview zwischen Marion Bender und H. Moser (Redaktion Calpe Magazin) statt. Ausgerechnet an ihrem Geburtstag nahm sich Marion Bender die Zeit für dieses Gespräch. An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön für ihre Gastfreundschaft und ihre Offenheit.

Das Interview mit Marion Bender
Redaktion:
Mich fasziniert Ihr Leitspruch „Aufstehen beginnt im Kopf“. Was genau meinen Sie damit?
Marion Bender:
Wissen Sie, viele Menschen denken bei „Aufstehen“ an etwas Körperliches. Aber ob wir liegenbleiben oder wieder aufstehen – das entscheidet sich nicht in den Beinen, sondern im Kopf.
Es ist der Moment, in dem du innerlich sagst: „Ich lasse mich nicht brechen.
Ich bestimme, wie es weitergeht.“
Aufstehen beginnt da, wo du dich nicht länger von Angst, Schmerz oder Zweifeln definieren lässt. Wo du wieder anfängst, an dich zu glauben – selbst wenn alles dagegen spricht.
Es ist keine Frage der Umstände, sondern eine Frage der Haltung.
Kopf hoch – Herz auf – weitergehen. Genau darum geht’s.
Redaktion:
Sie sprechen aus eigener Erfahrung – können Sie mir bitte mehr über Ihren Weg erzählen ziniert Ihr Leitspruch „Aufstehen beginnt im Kopf“. Was genau meinen Sie damit?
Marion Bender:
Mein Weg war alles – nur nicht gerade. Ich wurde mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Fehlbildung geboren. Schon als Kind war ich oft „die, die keiner versteht“. Ich weiß, wie es ist, sich falsch, nicht genug, nicht richtig zu fühlen.
Und als ich gerade dachte, ich hätte meinen Platz im Leben gefunden – kam der Reitunfall. Querschnittlähmung. Rollstuhl. Von einem Moment auf den anderen war alles anders. Ich war wütend, traurig, voller Schmerz. Und doch: Ich bin nie stehen geblieben.
Ich habe gelernt: Nicht die Umstände entscheiden, wer wir sind – sondern das, was wir daraus machen.
Heute bin ich Rednerin, Autorin und Mutmacherin. Nicht trotz, sondern wegen meines Weges.
Denn mein Leben ist kein Drama. Es ist ein Statement: Aufstehen beginnt im Kopf – und dieser Weg lohnt sich. Jeden Tag.
Redaktion:
Was war der Wendepunkt, an dem Sie entschieden haben, „aufzustehen“?
Marion Bender:
Der kam in einem Moment, in dem ich ganz unten war – körperlich, seelisch, komplett am Limit. Ich lag im Krankenhaus, mein Leben war durch den Reitunfall komplett auf den Kopf gestellt. Und ganz ehrlich: Ich wollte nicht mehr. Ich war müde, leer, hatte den Lebensmut fast verloren.
Diesen dunkelsten Moment auf meiner Lebensreise beschreibe ich sehr offen in meinem Buch „Aufstehen beginnt im Kopf – Nichts hindert dich!“
Ich wollte aufgeben. Aber dann – irgendwo tief in mir – kam dieser leise Gedanke: „Es muss noch mehr geben als das.“
Und genau da begann mein Aufstehen. Ich habe mich bewusst für das Leben entschieden – für ein Leben voller Möglichkeiten, statt Begrenzungen. Das war kein Knopfdruck-Moment – sondern eine Entscheidung, die ich jeden Tag neu treffe. Und genau deshalb brenne ich heute dafür, anderen zu zeigen: Es gibt einen Weg. Auch für dich.
Redaktion:
Was raten Sie Menschen, die gerade in einer Krise stecken?
Marion Bender:
Versuch nicht länger, gegen das anzukämpfen, was gerade ist.
Ich weiß, das fühlt sich oft so an, als würdest du sonst aufgeben – aber das Gegenteil ist der Fall: Wenn du annimmst, was ist, hörst du auf, dich selbst zu erschöpfen.
Annahme heißt nicht, dass du es gut findest. Es heißt nur: „Ich sehe, wo ich stehe.“ Und das ist der erste Schritt, um überhaupt wieder in Bewegung zu kommen.
Und dann? Triff eine Entscheidung. Eine echte.
Nicht „vielleicht“, nicht „irgendwann“, sondern ein klares: „Ich will etwas verändern.“
Auch wenn du noch nicht weißt, wie. Auch wenn der Weg unklar ist – die Entscheidung für dich selbst ist der Anfang.
Und bitte: Hör auf zu glauben, dass du stark sein musst, indem du alles alleine machst.
Hilfe annehmen ist eine Stärke. Punkt.
Es zeigt nicht, dass du schwach bist – es zeigt, dass du dich wichtig genug nimmst, um dir Unterstützung zu holen.
Ich werde oft gefragt: „Marion, was mache ich in einer Krise?“ Das ist für mich nicht die optimalste Frage. Fragen Sie sich: Was tue ich zwischen den Krisen? Denn dass die nächste Krise früher oder später kommt ist sicher. Krisen gehören zum Leben dazu.
Es sind die tägliche scheinbar „kleinen Gewohnheiten“, die dich befähigen, jede Krise „Step by Step“ zu meistern.
Und dann triff eine Entscheidung: „Ich will leben. Ich will da raus. Und ich geh den ersten kleinen Schritt.“
Es geht nicht darum, sofort stark zu sein. Es geht darum, nicht stehenzubleiben.
Ein Mini Step jeden Tag reicht. Und genau dieser „scheinbare“ Mini Step kann dein ganzes Leben verändern.
Redaktion:
Sie sprechen viel über mentale Stärke. Was sind Ihre persönlichen Strategien?
Marion Bender:
Mentale Stärke ist für mich kein Superhelden-Modus.
Sie bedeutet nicht, immer gut drauf zu sein oder nie zu zweifeln. Ganz im Gegenteil:
Mentale Stärke heißt für mich, mitten im Chaos bei mir zu bleiben.
Nicht perfekt zu funktionieren – sondern ehrlich zu fühlen und trotzdem weiterzugehen.
Was mir hilft?
Und: Dankbarkeit. Nicht als Floskel, sondern als echtes Ritual. Jeden Abend 3 Dinge. Manchmal ist es nur: Ich hab den Tag geschafft. Und das zählt.
Mentale Stärke ist wie ein Muskel. Du trainierst ihn nicht in den leichten Momenten – sondern genau dann, wenn’s schwer wird.
Und wissen Sie was? Jede*r von uns hat diesen Muskel. Manchmal ist er nur müde. Aber er ist da – und er wächst, wenn Sie ihn nutzen.
Redaktion:
Was wünschen Sie sich für unsere Gesellschaft im Hinblick auf das Thema Inklusion und mentale Gesundheit?
Marion Bender:
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der wir aufhören, Menschen zu bewerten, sich zu vergleichen – und anfangen, sich zu begegnen. Nicht mit Mitleid, sondern mit echter Offenheit. Was wäre, wenn wir stattdessen einfach anfangen, einander wirklich zu sehen?
Inklusion ist keine Einladung. Inklusion ist ein Grundrecht. Jeder Mensch zählt. Punkt.
Und mentale Gesundheit? Die gehört genauso zum Leben wie körperliche Gesundheit. Warum gehen wir zum Zahnarzt, wenn der Zahn schmerzt – aber schämen uns, wenn die Seele leidet? Das darf sich ändern. Das muss sich ändern.
Ich wünsche mir, dass wir nicht länger auf Perfektion schauen, sondern auf das, was Menschen wirklich stark macht: Verletzlichkeit, Mut und Menschlichkeit.
Und wenn ich am Ende eines Vortrags, eines Gesprächs oder dieses Interviews eines will, dann ist es das:
Dass die Menschen mitnehmen:
- Jeder Mensch ist wertvoll – mit oder ohne Diagnose, mit oder ohne Rollstuhl, dick, dünn, laut, leise, neurodivergent, introvertiert, sensibel oder voller Energie ist.
- Und: Aufstehen beginnt im Kopf – aber gelebte Menschlichkeit beginnt im Herzen.
Quelle: Redaktion Calpe Magazin
Fotos/Video: Redaktion Calpe Magazin